JOE SATRIANI „Shockwave Supernova“

 

 

Sage und schreibe fünfzehn Studioalben kann der am 15. Juli 1956 geborene JOE SATRIANI bereits auf seinem Konto verbuchen. Mit dem Veröffentlichungstermin von „Shockwave Supernova“ hat sich Satriani, der nächstes Jahr seinen sechzigsten Geburtstag feiert, gewissermaßen selbst ein Geburtstagsgeschenk gemacht.



Einmal mehr wurde im Skywalker Sound Studio im Lucas Valley in Kalifornien aufgenommen. An den Mischpult-Reglern gibt es die Rückkehr eines langjährigen Weggefährten Satrianis zu vermelden - John Cuniberti, der bereits beim Debut im Jahre 1986 und Satrianis Karriere-Initialzündung „Surfing with the Alien“ seine Finger im Spiel hatte. Dieser hat als Co-Produzent, wie die „Behind the Scenes“ Videos zeigen, in mehr als nur einem Sinne eine kritische Rolle bei der Entstehung des Albums eingenommen. Vom Vorgänger-Album wieder mit dabei: Multiinstrumentalist und Zappa-Jünger Mike Keneally. Einen Besetzungswechsel hat es hingegen bei der Rhythmussektion gegeben. Satriani hat kurzerhand seine Live-Band fürs Studio verpflichtet: Schlagzeuger Marco Minnemann und Bassist Bryan Beller von den THE ARISTOCRATS, die vor kurzem gerade selbst ein grandioses Album veröffentlicht haben (zur Review von "Tres Caballeros"). Vier Songs des neuen Albums sind „Überbleibsel“ der „Unstoppable Momentum“ Aufnahmesession, und featuren Schlagzeuger Vinnie Colaiuta und JANE’s ADDICTION Basser Chris Chaney.


„Shockwave Supernova“ ist ein Konzeptalbum geworden, das Satrianis (oder das seines Alter-Egos, so genau wissen wir es nicht) Werdegang und dessen Entwicklung zum Rockstar nachzeichnet. Als bekennender Science-Fiction Fan beweisen seine Kompositionen nicht nur musikalischen, sondern auch philosophischen Tiefgang. So haben beispielsweise Gedanken zu Wiedergeburt und Tod Eingang auf Tracks wie „On Peregrine Wings“ oder „If There is No Heaven“ gefunden. Übrigens zwei der besten Nummern des Albums.


Satrianis Spiel ist zutiefst inspiriert. Keine Note zu viel, keine zu wenig. Im Vordergrund steht, wie beispielsweise der Opener und Titelsong beweisen, die Komposition als Ausdruck seiner musikalischen Vision. Weitere Anspieltipps wären da noch das stampfende „Scarborough Stomp“ oder – Achtung Wortspiel! - „A Phase I’m Going Through“. Auch einem Blues („San Francisco Blue“) kann der Meister eine neue, interessante Facette abgewinnen, indem er harmonisch an einer unerwarteten Biegung abzweigt.


Fazit: „Shockwave Supernova“ klingt über weite Strecken luftig, leidenschaftlich und versprüht dabei ein erfrischendes Live-Feeling. Cunibertis Rückkehr als Co-Produzent und Toningenieur, und der Besetzungswechsel am Schlagzeugschemel und am Bass haben der Umsetzung seiner Kompositionen sichtlich gutgetan. Musikalisch spielt SATRIANI ohnehin seit jeher in einer anderen Liga. Seinem außergewöhnlichen Talent ist es auch zu verdanken, dass aus einem Album mit fünfzehn Tracks keine Frickelorgie geworden ist. Auch wenn nicht alle Nummern ausgemachte Kracher sind, so hat Satriani auf „Shockwave Supernova“ dennoch wieder großen Wert auf Melodien gelegt, die gut und gerne als Gesangsparts fungieren könnten, und mit ein Grund sind, warum dieser so viele Nicht-Gitarristen zu den Fans seiner Musik zählen kann. Eines seiner besten Alben der letzten Jahre. Für Fans ein Muss!

 

 


Leider kommt der Meister auf seiner kommenden Tour nicht nach Österreich. Der Bogen, den er macht, ist aber glücklicherweise nicht allzu groß. Fans im Osten der Alpenrepublik können beispielsweise einen Trip nach Budapest (9. Oktober) oder Bratislava (14. Oktober) ins Auge fassen. Weitere Europa-Tourdaten gibt’s hier. Satriani hat als Beiwerk auch wieder zahlreiche Videos rund um den Entstehungsprozess veröffentlicht, die wir in einem Special, den „Behind the Scenes“ Videos zum „Shockwave Supernova“ Aufnahmeprozess für euch zusammengefasst haben.


Erscheinungsdatum: 24. Juli 2015
Label: Sony Music Entertainment (Sony Music)

Tracklist

1. Shockwave Supernova    
2. Lost In A Memory    
3. Crazy Joey    
4. In My Pocket    
5. On Peregrine Wings    
6. Cataclysmic    
7. San Francisco Blue    
8. Keep On Movin'    
9. All Of My Life    
10. A Phase I'm Going Through    
11. Scarborough Stomp    
12. Butterfly And Zebra    
13. If There Is No Heaven    
14. Stars Race Across The Sky    
15. Goodbye Supernova    

www.satriani.com

SYMPHONY X „Underworld“






Veröffentlichungen der Progressive-Metal-Band aus New Jersey werden immer mit großer Spannung erwartet, und gehen mit einer nicht gerade unbeträchtlichen Erwartungshaltung einher. Was nicht weiter verwundert, gehört die Truppe doch neben Bands wie THRESHOLD, SHADOW GALLERY oder REDEMPTION zu den qualitativ hochwertigsten Vertretern des Genres.



Seit dem im Jahre 2007 erschienen Meisterwerk „Paradise Lost“ veröffentlichen SYMPHONY X ihre Alben im Vier-Jahres-Zyklus. Nach dem fetzigen, im Jahre 2011 erschienen „Iconoclast“, bringen die US-Amerikaner mit „Underworld“ nun ihr neuntes Studioalbum unter die Leute.


Der im Jahre 1968 geborene Michael Romeo feuert auf der neuen Rangrille einige seiner feinsten Riffs überhaupt ab. Hier wird nach vorne losgeballert, dass es eine wahre Freude ist. Schon beim ersten Hördurchlauf fällt auf: SYMPHONY X haben großen Wert auf Melodie- und durchdachte Spannungsbögen gelegt. Das Konzept geht auf, und macht sich über weite Strecken hervorragend, driftet aber auch manches Mal, so wie beispielsweise auf „In My Darkest Hour“ ins Klischeehafte ab.



Anspieltipps wären da die Melodiegranate und Opener „Nevermore“, und das nach vorne peitschende „Kiss of Fire“. Während einige Songs von den Akkorden her auch auf „Paradise Lost“ hätten Platz finden können („Without You“), hat man den Eindruck als wollten die Amis auf dem neuen Album die Härteschraube stellenweise noch einen Tick weiter anziehen, so wie auf „Underworld“, dem Titelsong des Albums.


Sänger Russell Allen  liefert eine famose Leistung ab (Stichwort „Swan Song“). Und Gitarrist und Mastermind Michael Romero beweist auf „Underworld“, dass er ungeachtet aller Virtuosität ungemein geschmackvolles und vor allem songdienliches Spiel beherrscht, und seinem Amp noch immer einen der fettesten Rhythmus-Sounds überhaupt zu entlocken vermag. 


SYMPHONY X ist mit ihrem neunten Studiowerk ein gutes Album gelungen, dass sich auf dem Level des Vorgängers einreiht. „Underworld“ zündet stellenweise gewaltig, und hält für den geneigten Hörer einige herausragende Nummern bereit.  Alle Fans des Ausnahmegitarristen Romero, die den einen oder anderen Song aus dem SYMPHONY X Backkatalog nachspielen möchten, werden übrigens auf der Website der Band unter der Kategorie „Media“ fündig, wo es ein Archiv von offiziellen und Fan-Tabs zum runterladen gibt. Und wir ziehen uns jetzt noch schnell EDGAR ALLAN POEs "Der Rabe" rein ...

 




Erscheinungsdatum: 24. Juli 2015
Label: Nuclear Blast (Warner)

Tracklist


1. Overture    
2. Nevermore    
3. Underworld    
4. Without You    
5. Kiss Of Fire    
6. Charon    
7. To Hell And Back    
8. In My Darkest Hour    
9. Run With The Devil    
10. Swan Song    
11. Legend

http://www.symphonyx.com

RUSSKAJA „Peace, Love & Russian Roll“


 






Gruppa Russkaja – From Austria with Love!


 

Russkaja, der Turbolader der österreichischen Musikszene, meldet sich pünktlich zum Hochsommer mit heißem, brandneuem Material zurück. Die Haus- und Hofkapelle von Ster- und Grissemann bringen ihr viertes Album zur Welt: „Peace, Love & Russian Roll“ ist Name und Programm zugleich. Punkrock, Ska, russische Folklore, Polka, Rock ´n´ Roll – musikalisches Restekochen, Russendisko? Sicher nicht! Weltmusik auf der Überholspur, schon eher. „Peace, Love & Russian Roll“, das ist pures Adrenalin und Vollgas von der ersten bis zur letzten Sekunde, geht ab wie eine Sojus Rakete. Bitte anschnallen. Oder besser: Tanzt ihr Willigen, tanzt!



„Rock `n` Roll Today“ zündet die Triebwerke der Rakete. Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria brüllt wie ein russischer Bär, die Brassbrüder machen Stimmung und das Schlagzeug galoppiert,  im Punkstakkato voran. Wenn eine Nummer nach vorne prescht, dann diese hier. So stellt man sich den Anfang eines neu erworbenen Albums vor, einer Explosion gleich soll es sein. Man ist geneigt zu sagen, da steppt der (russische) Bär. „Hey DJ, blow me away, give me my Rock ´n´ Roll today!“, meint Georgij. „Slap Your Face“ kommt dann im bewährten Offbeat daher. Ska zum mit dem Popo wackeln. Bei „Hometown Polka“ will man mitsingen. Ein etwas rührseliges Lied das dahinschunkelt, wie ein mit Gepäck überfüllter Lada auf einer holprigen, russischen Landstraße, auf dem Weg zurück in die alte Heimat. Es klingt nach Balalaika. Ein Heimatlied; emotionales, nicht kitschiges Liedgut. „There Was A Time“, der Titel verrät es, ist balladesk, hat Qualitäten wie große Schlager aus den 70ern. Ein erdiger Chanson darf man meinen.



„El Pueblo Unido“. Russisch, Deutsch, Englisch, das sprachliche Repertoire ist noch nicht ausgeschöpft; jetzt machen sie´s auf Spanisch. Auf „Peace, Love & Russian Roll“ wird nicht nur musikalischer, sondern auch sprachlicher Crossover geboten. Eben Musik von Welt. „Lovegorod“ hält den eingeschlagenen Kurs, ist Musik, die, so möchte man meinen, in allen Konzertsälen dieser Welt funktioniert. Dieser Song ist wie ein Besuch in der Lounge der musikalischen Globalisierung, ein bisschen jazzig, smooth, äußerst gschmeidig: man bringe den Spritzwein, oder ähnliche legale Substanzen. Mit „Parachute“ wird es dann ein wenig ruhiger und minimalistischer. Aber auch das funktioniert. Russkaja sind eben nicht nur Ska und Polka. Abwechslung heißt das Attribut auf „Peace, Love & Russian Roll“. „Let´s Die Together (Mon Amour)“ ist ein Lamento mit russischer Seele. Im 2/4 Takt mag man mitklatschen und –stampfen. Mia Nova, die schöne Frau mit der Violine, animiert die treuen HörerInnen mit einem erbaulichen Solo. Herz und Schmerz, zuckersüß. Gegen Ende hin wird mit „You Are The Revolution“ und dem Namenspatron des Albums „Peace, Love & Russian Roll“ noch mal unmissverständlich klar gemacht, warum das hier von den Protagonisten selbst „Turbopolka“ genannt wird. Halt wie versprochen, energetisch bis zum Schluss. Wird dabei aber nie einseitig oder gar langweilig. Auch wenn die Musik verstummt ist, man nickt noch eine Zeit lang anerkennend im Takt, das Echo in den Membranen oszillierend, vergisst man dieses Album nicht so schnell.



Die verrückte Bläserfraktion imponiert übrigens mit der sogenannten „Potete“, eine eigens für die Band entwickelte Mischung aus Trompete und Posaune. Wer tut sowas? Hans-(Georg Gutternigg) der kann’s.  Eigentlich spielt er ja auch Tuba. Wie hieß es schon in der Kirche: Vater unser, der Tubist im Himmel.


Fazit: Russkaja sind musikalische Kosmopoliten, ziehen sämtliche Register. Ob Schunkeln oder Pogo - auf ihrer neuesten Kreation geht alles. „Peace, Love & Russian Roll“, bereitet Freude, reißt mit: Polka `n` Roll, oder so ähnlich. Der perfekte Steigbügel für ein verlängertes Wochenende. Die Männer und die Frau mit den lustigen Kostümen bringen Lebensfreude und viel Emotion in die gute Stube eines jeden, der es nur will. So wird das Wohnzimmer zu Baikonur, die Stereoanlage zur Startrampe. Die Balkanisierung des Ska. Man kann sie leicht mögen. Sind sie zu schnell, bist du zu langsam.

 

Rus? - Ska? ---- Ja!!!

 


 
Erscheinungsdatum: 24. Juli 2015
Label: Napalm Records

 

Tracklist


1. Rock'n Roll Today 
2. Slap Your Face
3. Hometown Polka
4. There Was A Time
5. El Pueblo Unido
6. Lovegorod
7. Parachute
8. Let's Die Together
9. Salty Rain
10. You Are The Revolution
11. Radio Song
12. Peace, Love And Russian Roll


https://www.facebook.com/russkajaofficial/timeline

http://www.russkaja.com/

ACRASSICAUDA „Gilgamesh“


 



 

Die außergewöhnliche (Enstehungs-)Geschichte einer außergewöhnlichen Band und ihres Debut-Albums.



Acrassicauda sind irakische Kriegsflüchtlinge, eine Band im Spannungsfeld ideologischer Konflikte. Ihre Musik erzählt davon. Genre: Thrash Metal.


Jede Band ist mehr als „nur“ ihre Musik,  sie ist, wie man so schön sagt, die Summe ihrer einzelnen Teile. Ein ganz großer Teil dieser Summe ist dabei immer auch die Historie einer Band bzw. ihrer Protagonisten. Sie, die Geschichte, die Chronologie, definiert das Schaffen eines jeden Musikers. Sie skizziert warum wer weshalb wie Musik macht. Selbst Habitus und Attitüde erklärt sie zumindest zum Teil. Und von denen gibt es gerade im weiten Feld der Rockmusik genügend. Wäre Liam Gallaghers Benehmen auf- und abseits der Bühne dasselbe exaltierte ohne seine schwierige Adoleszenz? Hätte Mister James Hetfield "The God that Failed" geschrieben, ohne die biografischen Erlebnisse, die ihn prägten; wären seine Riffs ähnlich zornig ausgefallen? Wohl kaum. Die musikalische Substanz einer Band ist quasi die Projektion ihrer Geschichte und ihre Geschichte das Substrat ihrer musikalischen Substanz. Jeder geht mit seiner (schmerzvollen) Geschichte (anders) um, auch im musikalischen Sinne. Der eine leise, der andre laut. In der Rockmusik - und hier besonders im Heavy Metal -, passiert das bekanntlich meist laut und zornig. Nichts ist befreiender als all den Zorn, die Wut, Verzweiflung und Angst hinaus zu brüllen. Das gilt für den Vortragenden genauso wie für den Rezipienten. Letzterer braucht nur im trauten Heim die Anlage aufzudrehen, schon kann er im Chor seiner Heroen miteinstimmen. Man hat vielleicht ähnliches durchgemacht, fühlt sich verstanden, teilt den Weltschmerz. Das eint: Katharsis mit ordentlich Dezibel. Nur was, wenn all der Weltschmerz seinen Ausdruck statt in pathetischen Lyrics, die von Krieg, Blut und Heldentaten erzählen, bittere Realität ist? Was, wenn für einmal nicht skandinavische Kriegsmythen besungen werden müssen, um von Tragik, Tod und Teufel zu berichten? Was, wenn Musik und Text nun erlebte Versionen all dessen sind: Krieg und Verzweiflung am eigenen Leibe selbst erlebt und keine weltfremden „Fire and Blood-Gschichten“ von MANOWAR (bei allem gebührenden Respekt)? Dann eben wird aus „Gschichten“ eine (Band)Geschichte der etwas anderen, brutaleren Art. Dann ist Musik, dann ist Heavy Metal die Manifestation einer Bandbiografie, die es wahrlich wert ist, erzählt zu werden. Denn die Geschichte dieser Band ist außergewöhnlicher, als die der meisten; und miteinstimmen im Chor der Helden kann man beim Hören ihres Debutalbums trotzdem oder gerade deswegen.

 

Bagdad, Irak, 2003. Es herrscht Krieg. Die US-amerikanische Armee will den irakischen Diktator Saddam Hussein beseitigen. Was dies für die Bewohner Bagdads bedeutet, ist klar. Der Stadt und ihren Bürgern fetzen Kugeln und Bomben um die Ohren, von allen Seiten. Die vor langer Zeit  als „Stadt des Friedens“ gegründete Metropole am Tigris liegt in Schutt und Asche. Pures Entsetzen und Angst greifen um sich wie ansteckende Krankheiten. Nach Kriegsende,  noch im selben Jahr, versinkt das arg gebeutelte Land in bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Das brache, vom Krieg ausgebrannte Land, wird zum Nährboden für neue Mächte in der Region. Fortan ringen sich politische und religiöse Gruppen aller Art um die Gunst der Stunde. Das Machtvakuum zieht sie an, wie Scheißhaufen Fliegen und sonstiges Gefleuch. Was folgt, sind unzählige Terroranschläge und Gewaltkriminalität. Die Opfer sind, wie zuvor auch, meist unschuldige Zivilisten. Mitten unter ihnen vier junge Metalheads mit nur einem Wunsch:  Rocken als ob´s kein Morgen gibt (was jeder Zeit hätte passieren können, denn der Morgen war ihnen im Chaos von Bagdad schon lange nicht mehr gewiss).

 


 

Irgendwo in Bagdad, 2006. Vier junge Männer. Firas, Tony,  Marwan und Faisal sind Anfang 20. Um sicher zu ihrem Proberaum zu gelangen, tragen sie Handfeuerwaffen zum Selbstschutz. Ihre Musik ist ihre Passion, sie ist ein bewusst gewähltes Werkzeug um die Schrecken des Alltags vergessen zu machen, erzählen sie zwei nordamerikanischen Filmemachern. Einer der vier meint: „We are living in a Heavy Metal World“, und stellt damit den Konnex zwischen ihrer Musik und ihrer Realität her: Diese Worte reflektieren die Fleisch gewordene, oder besser gesagt Metall gewordene Angst vor dem Tod im Krieg. Heavy Metal ist hier nicht nur Musik, er ist auch Synonym für die metallenen Bomben, die vom Himmel brechen. Die beklemmende und preisgekrönte Dokumentation „Heavy Metal in Baghdad“ erzählt eine berührende Geschichte davon: Die Geschichte der irakischen Metalband Acrassicauda. Das Kamerateam begleitet die sympathischen Jungs, unterbrochen durch monatelange, kriegsbedingte Drehpausen, durch ihren verstörenden Alltag: Acrassicauda erhalten Morddrohungen von Fundamentalisten – ihre langen Haare und Metallica-T-shirts machen sie zu deren Zielscheibe; ihr Proberaum wird durch einen Bombeneinschlag in die Luft gejagt; die wenigen Konzerte, die sie spielen können und dürfen, finden vor wenigen Freunden in geheim gehaltenen Locations, unter zum Teil drakonischen Sicherheitsvorkehrungen statt (das Misstrauen des militärischen Sicherheitspersonals ist groß, für die einen ist man „westlicher“ Verräter, für die Besatzer potentieller Terrorist). Trotz alledem: Seit langem können sie nun mit Hilfe des Filmteams für ein paar Stunden den Krieg und seine Gräuel vergessen, spielen endlich wieder ein Konzert und feiern eine frenetische Heavy Metal Party. Später wird sich die Band längere Zeit nicht mehr sehen, es wird zu gefährlich werden, die Häuser zu verlassen. Irgendwann wurde dann klar, so erzählen sie den Filmemachern bei deren nächsten Besuch, dass es hier nicht mehr auszuhalten ist, etliche Freunde sind tot oder geflohen. Die Ohnmacht gegenüber Terror, Verlust und Zerstörung machen ein Weiterleben hier zu einer schrecklichen Qual. Ihre Verzweiflung hat das Höchstmaß erreicht. Der Konflikt hat sich zu gespitzt, Leichen liegen auf den Straßen, der Tod schwebt über allem, sie könnten die nächsten sein. Die Band entschließt sich, nach Syrien zu fliehen. Die „Heavy Metal Refugees“ beginnen eine acht Jahre andauernde, gefährliche Flucht, die sie schlussendlich bis in die USA führt. Der Kontakt zum Filmteam reißt inzwischen über längere Zeit ab.

 

New Jersey, 2015. Acrassicauda veröffentlichten nach einer Crowdfunding-Kampagne ihr erstes Studioalbum „Gilgamesh“ (als Produzent wirkte übrigens unter anderem auch ein gewisser Herr Alex Skolnick mit). Trotz aller Widrigkeiten, die Band hat ihren Traum auch als Kriegsflüchtlinge nicht aufgegeben. Zwischen ihrer gelungen Flucht und Gilgamesh stehen drei US-Tourneen, eine EP, Musikvideos und über 24.000 Facebook-Fans. Acrassicauda haben es geschafft. Sie sind musikalisch und optisch kaum wiederzuerkennen. Was Freiheit ausmacht!

 

Gilgamesh ist Acrassicaudas Vertonung des gleichnamigen Epos, ihr Oratorium zur legendären Thematik: Eine antike Erzählung aus altbabylonischer Zeit über die Sterblichkeit des Menschen, den viel zitierten Sinn des Lebens und die Liebe. Gilgamesh, das ist bei Acrassicauda Thrash Metal mit orientalischem Ambiente. Schon die kurze Einführung in das Machwerk der Iraker „Cedar Forest“ kündet davon. Noch ist es nur eine geheimnisvoll-ruhige, instrumentale Vorahnung, die gehört wird. Man ist gespannt und neugierig und ahnt schon, dass da was schwelt, das es zu entdecken gilt. Wie ein Abenteurer ein ihm fremdes Land entdeckt - so wird es sein. Dann kommt „Rise“ als zweite Nummer und lüftet den Vorhang zur Abenteuerreise: Heftige Powerriffs, Double Bass-Gewitter, feister, wummernder Bass und Kehlkopfakrobatik. Gitarrensoli wie Elegien, gravitätisch und düster ist´s. „Quest for Eternity“ zeigt dann, was bei Acrassicauda sonst noch alles drin ist: Abwechslung und Vielfalt, progressive Rhythmen und melodischer Gesang gesellen sich zum Brachialen. Nummer vier heißt „Amongst Kings and Men“. Ein Meisterwerk, groß und mächtig wie eine Kathedrale. Auf „Shamhat“ (so heißt übrigens die verführerische Priesterin aus dem Gilgamesch-Epos) folgen Perkussionen die an das alte Mesopotamien erinnern. Dann „The Cost of Everything & The Value of Nothing“: Eine arabische Darbuka trommelt den Anfang, bevor es wiedermal drastisch zu und her geht: Nahost-Flair kandiert mit Heavy Riffs und gutturalem Getöse. Überhaupt muss gesagt werden, dass vor allem in Sachen Rhythmik und Percussion viel auf Gilgamesh passiert und ausprobiert wird, was man erfreut zur Kenntnis nimmt. Ganz klar eine der Stärken der Band aus Bagdad.

 



„Requiem for a Reverie“ ist die Ballade des Albums. Sie ist solide und zeigt, dass die Jungs auch anders können. Wie gesagt, Abwechslung steht auf dem Programm. Das Gitarrensolo erinnert an Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. „House of Dust“ hingegen, beginnt wie eine Erzählung aus 666 und einer Nacht, geht auch so weiter und endet so; baut sich dabei vor dem schockgefrorenen Zuhörer auf wie ein gewaltiger Kaventsmann, um dann erbarmungslos über ihm zusammenzubrechen: eben gekonnt intonierter Thrash Metal aus dem Irak. „Unity“ besticht durch ein in Höchstgeschwindigkeit vorgetragenes Riff und einem Erzähler, der aus dem Off auf Arabisch zu einem spricht. Man würde zu gerne wissen, was er wohl sagt. Auf „Elements“ kommt der für viele europäische Ohren so exotisch anmutende, emotional vorgetragene, arabische Gesang zum Tragen und bildet eine perfekt gelungene Symbiose mit zornigen Riffs und derbem Rhythmus. Auf diese Melange hat man eigentlich seit Beginn des Albums gewartet. Ansonsten ist „Elements“ eine der wenigen Kompositionen, die zwischendurch mit High Speed Drums zu beeindrucken versteht. Der Vorabend des Albums nennt sich „Uruk“ (so heißt die Stadt des mythischen Königs Gilgamesch aus dem gleichnamigen Epos). Es wird wieder geheimnisvoll gen Schluss hin: Orientalische Lauten, ein Klavier, arabische Perkussion und Streicher erzählen tonale Geschichten aus einer babylonischen Wüstennacht. Ein Stück wie ein klandestines Treffen, nächtens, im Schutz des Schattens der sagenumwobenen Stadtmauer Uruks. Man scheint angekommen. Die abenteuerliche Entdeckungsreise findet hier ihr Ende. Naja, fast. Auf „Rebirth“ wird’s nochmal gewohnt bös. Sänger Faisal beweist ganz zum Schluss, dass er nicht nur recht gut Krakeelen sondern auch richtig fein singen kann. „The war is not over, the worst is yet to come, evolution led by rage, marching to the sound oft he drum…Will we save us from what we´ve become.“



Gilgamesh, das ist die Genese akustischer Überzeugungskraft, geballter Power durch Starkstrom und songtextlicher Authentizität; Wirklichkeit gewordene Dystopie, minutiös inszeniert, heiß wie die irakische Wüste, mit atmosphärischen Momenten, die man nicht so schnell vergisst. Ein subkutanes Erlebnis. 

 

Was soll man sagen? Man bleibt etwas wortkarg zurück. Denn auch für gerettete Kriegsflüchtlinge ist Krieg niemals vorbei. Ihre Seelen bleiben für immer ramponiert. Davon kündete schon Acrassicaudas 2010 erschienene EP „Only the Dead See the End of the War“ (Der Sound darauf fällt im Übrigen satter, klarer und somit um einiges besser aus, als auf Gilgamesh). Arassicauda sind trotzdem Speerspitze einer ganzen Generation junger Musiker, deren Träume und Hoffnungen sich auch vor Krieg und Terror nicht beugen. Sie gemahnen uns daran, dass vielen nicht erlaubt ist zu tun, was wir in Europa für selbstverständlich halten: Die Freiheit Musik zu machen oder zu hören wie es uns gefällt, ohne dafür verfolgt und ermordet zu werden. Schwer vor zustellen, aber genau das ist im heutigen Irak immer noch gang und gäbe. Acrassicauda zeigen des Weiteren, was manch einer immer noch nicht weiß: Auch abseits der „westlich“ dominierten Populärkultur wird in anderen Teilen der Welt gerappt, gerockt und eben auch geheadbangt. In Bangladesch, Nigeria oder im Irak. Das ist gut zu wissen, weil Musik lässt Menschen näher zusammenrücken.

 



Oft wird ja davon geschrieben, wie Musik Grenzen niederreißt (die zuvor meist von kulturnationalistischen Misanthropen mühsam aufgebaut wurden); Acrassicauda haben genau das getan: jene Grenzen mit ihrer Musik eingestampft. Sie sind Evidenz dafür, dass kulturelle Unterschiede nur oberflächlicher Natur sind. Verschiedene Menschen aus verschiedenen Kulturen sind sich viel ähnlicher als manch einem lieb ist. Die grundlegenden Bedürfnisse sind nämlich dieselben. Und weil es hier um Heavy Metal geht: Das Bedürfnis und Recht zu rocken bis zum Abwinken, gilt für alle. Acrassicauda haben durch die Hände ausländischer Soldaten Freunde verloren. Ausländische Soldaten durch Irakische Hände ihr Leben gelassen. Und während Iraker US-Amerikaner hassen und US-Amerikaner Iraker hassen, sind Acrassicauda schon längst durch die USA getourt und haben mit US-Amerikanern und Menschen aus aller Welt gemeinsam sich selbst und ihre Musik gefeiert. Das mag pathetisch klingen, ist aber trotzdem so. Da erscheint alles andere plötzlich als stupide Zeitverschwendung. Heavy Metal: Musik die Grenzen einreist. Auf österreichisch könnte man auch sagen: Do kummn d´Leit zam. Oder mit James Hetfield: „What an awesome story. This inspires me alot. In the world certain cultures are the way they are but music doesn´t care. There are no boundaries for music. It connects right here in your heart. You can´t stop it. So, right on!“

Die vier Schwermetaller sind Vertreter, und Spitze des Eisberges all jener musikalischen Subkulturen, die im Irak und anderen unterdrückten Ländern leben und nicht gehört werden.

Wenn sie von Krieg singen, dann wissen sie tatsächlich wovon sie singen.

Acrassicauda = Kulturkämpfer, Metalguerillas.


Erscheinungsdatum: 04. April 2015
Label: Independent

 
Tracklist


1. Cedar Forest  1:29
2. Rise  5:04
3. Quest for Eternity  3:47
4. Amongst Kings and Men  5:11
5. Shamhat  0:25
6. The Cost of Everything & The Value of Nothing  3:09
7. Requiem for a Reverie  4:04
8. House of Dust  4:06
9. Unity  4:02
10. Elements  2:56
11. Uruk  2:02
12. Rebirth  4:32

Weiterführende Links

http://acrassicauda.com/

https://www.facebook.com/acrassicauda?fref=ts

http://acrassicauda.com/music

http://www.heavymetalinbaghdad.com/

THE ARISTOCRATS "Tres Caballeros"








THE ARISTOCRATS holen auf ihrem dritten Studioalbum einmal mehr zum stilistischen Rundumschlag aus. Für die Aufnahmen zu "Tres Caballeros" haben sich Gitarrist Guthrie Govan, Bassist Bryan Beller (JOE SATRIANI, DETHKLOK) und Schlagzeuger Marco Minnemann (STEVEN WILSON, JOE SATRIANI) für zehn Tage in die Sunset Sound Studios in Hollywood begeben, in denen bereits Leute wie PRINCE, VAN HALEN, LED ZEPPELIN und hunderte andere Giganten des Musikbusiness ihre Göttergaben aufs Band gebannt haben.



Musikalisch lässt das Trio auf "Tres Caballeros" nichts anbrennen, und unterstreicht, warum die Formation zu den derzeit interessantesten Rocktrios des Planeten zählt. Ob geschmeidige Jazzakkorde (“Pigs Day Off”), deftige Uptempo Kracher wie “Stupid 7” oder “Texas Crazypants”, oder herzhaftes Country-Picking (“The Kentucky Meat Shower”) – erlaubt ist, was musikalisch Spaß macht. Und gerade weil ein Track wie “ZZ Top“ so gar nicht nach Billy Gibbons & Co klingt, wird die Musik so manchem Hörer ein Lächeln auf die Lippen zaubern.



Die ARISTOCRATS beeindrucken auf ihrem dritten Studioalbum mit ihrer enormen stilistischen Bandbreite, und ihren außergewöhnlichen handwerklichen Fähigkeiten. Insbesondere der 1971 in der Grafschaft Essex geborene GUTHRIE GOVAN gehört zu jenen Vertretern seiner Zunft, die vom klassischen Rock, über Jazz- und Fusion über amtliche Countrylicks wirklich jede Spielweise aus dem Effeff beherrschen. Das Wort "sagenhaft" drängt sich auf.

 

Käufer der Deluxe Edition bekommen neben der regulären CD auch noch eine DVD beigepackt, die mit einer 30-minütigen Dokumentation “The Legend of Tres Caballeros” und diversen Live-Snippets aufwarten kann. Darüber hinaus finden sich auch noch 50 Minuten an Bonus Material mit  Alternative Takes und drei Demosongs auf der DVD.  Für Fans ein Muss.


Eine scharfe Chilischote haben Govan, Beller und Minnemann mit "Tres Caballeros" abgeliefert! Wir hegen nicht den geringsten Zweifel, dass die neuen Songs auf der Bühne gewaltig zünden werden, und freuen uns schon auf das nächste Gastspiel. „Excelente!“, sagen die Muchachos von GuitarMania.

 


Erscheinungsdatum: 29. Juni 2015
Label: Boing!


1.    Stupid 7
2.    Jack’s Back
3.    Texas Crazypants
4.    ZZ Top
5.    Pig’s Day Off
6.    Smuggler’s Corridor
7.    Pressure Relief
8.    The Kentucky Meat Shower
9.    Through The Flower


http://the-aristocrats-band.com/