MICHAEL LANDAU “Rock Bottom”

 

Das Wien-Konzert der Studiolegende MICHAEL LANDAU im Februar haben wir wegen einer Dienstreise leider verpasst. Gern hätten wir mit dem im Juni 1958 in Los Angeles geborenen Musiker über seine neue Platte “Rock Bottom” und seine Arbeit mit Größen wie MILES DAVIS, BB KING, JONI MITCHELL oder MICHAEL JACKSON geplaudert.


Viel einleitende Worte muss man über den ‘Players Player’ ohnehin nicht verlieren. Für sein neues Studioalbum unter eigener Flagge hat er David Frazee an Vocals und Gitarre, seinen Bruder Teddy am Bass, Larry Goldings an den Keyboards, und Alan Hertz am Schlagzeug verpflichtet.


“Rock Bottom” bietet alle Trademarks, die Landaus Spiel auszeichnen: ausladende stilistische Pinselstriche, die mit subtiler Tonalfarbgebung kontrastieren (“Bad Friend”), Hendrix-inspirierter Blues (“We All Feel The Same”), schleppend-verrauchter Shuffle (“Heaven In The Alley”), oder auch mal schräg, mit psychedelischen Einsprengseln vermengte Slow-Tempo-Rocker (“Gettin’ Old”). Die Höhepunkte des Albums markieren indes das markige, unter die Haut gehende “One Tear Away”, und der Rausschmeißer “Speak Now, Make Your Peace”.



“Rock Bottom” würde einen ganz vorzüglichen Soundtrack für einen Jim Jarmusch Film abgeben. Im Beipacktext empfiehlt der Meister: “We mastered the record to be played at a healthy volume on a real stereo system or with a good set of headphones. I recommend listening to it with a hot cup of green tea or perhaps eight Guinness beers—or any other drug of your preference...or maybe just let the music be the drug?” In diesem Sinne. Landau ist noch bis zum 21. März auf Europatournee.

 


Erscheinungsdatum: 22. Februar 2018
Label: Mascot Label Group (Rough Trade)

Tracklist

1. Squirrels
2. Bad friend
3. Gettin old
4. We all feel the same
5. We're alright
6. One tear away
7. Poor dear
8. Freedom
9. Haven in the alley
10. Speak now, make your peace

http://mikelandau.com

SIMON PHILLIPS “Protocol IV”



Auf den Tag genau zwei Wochen hat es gedauert, bis das neueste Werk von SIMON PHILLIPS “Protocol IV” im Postfach eingetroffen ist. Im Zeitalter der “instant digital gratification” eine Ewigkeit (nicht und nicht war das Teil auf einschlägigen Streamingportalen zu erwerben).



“Protocol IV” markiert einen neuen Höhepunkt in Phillips Schaffen. Mit Dennis Hamm an den Keyboards, und Bassist Ernest Tibbs, hat die Schlagzeuger-Ikone zwei wahre Meister ihres Faches verpflichten können. So richtig die Kinnlade nach unten klappen lässt aber GREG HOWEs Spiel. Was dieser über neun Tracks abliefert, ist schon sagenhaft. Erst kürzlich mit einem eigenen Soloalbum am Start, macht sich der Mann schon bald selbst Konkurrenz. Phillips bietet dazu die perfekte Bühne: Ob rhythmisch-exotische Exkursionen (“Passage to Agra”), Funk-Grooves mit Jazz-Rock-Abschußrampen (“Pentangle”;”Solitaire”) oder Fusion-Fest mit Tiefgang (“Phantom Voyage”) - “Protocol IV” ist ein Hammeralbum geworden, das Fans nicht enttäuschen wird.

Und über allem thront PHILLIPs Spiel, und dessen perfekte Produktion.

"Run, don't walk" - diese CD sollte man kaufen, so man sie denn irgendwo finden kann.

Erscheinungsdatum: 29. September 2017
Label: Phantom Recordings

Tracklist

1. Nimbus
2. Pentangle
3. Passage To Agra
4. Solitaire
5. Interlude
6. Celtic Run
7. All Things Considered
8. Phantom Voyage
9. Azorez

www.simon-phillips.com

AUDREY HORNE "Blackout"

 

Die Norweger sind schon zu beneiden. Im Index der menschlichen Entwicklung belegen sie regelmäßig Platz eins, gelten - ungeachtet ihrer Monarchie - als das demokratischste Land der Welt, und verfügen obendrein über einen prall gefüllten Pensionsfonds, der selbst Onkel Dagoberts Geldspeicher arm aussehen lässt. Von der Dichte an erstklassigen Bands ganz zu schweigen.

Für ihren sechsten Longplayer “Blackout” hat sich die Band aus dem hohen Norden, in dem es angeblich mehr Musiker als Musikhörer gibt, ordentlich Zeit gelassen. Was nicht weiter verwundert, war doch der Vorgänger “Pure Heavy” aus dem Jahre 2014 eher durchwachsener Natur. Nichts lag also näher, als der Versuch an den Kracher “Youngblood” aus dem Jahre 2013 anzuschließen.

AUDREY HORNE überzeugen auf “Blackout” durch starkes Songwriting, und mit Leidenschaft vorgetragene Doppelgitarrenparts, die man so und in dieser Form derzeit nicht oft zu hören bekommt. Auf Tracks wie “This is War”, “Audrevolution” oder “Rose Alley” galoppieren die Gitarren wieder in Richtung vergangener Großtaten. Arve Isdal, der auch bei ENSLAVED in die Saiten greift, und Thomas Tofthagen drängen sich auf “Blackout” ein für allemal als offizielle Murray-Smith Erben auf, und fackeln in bester Maiden-Manier ein erdiges Rhythmusgitarren-Feuerwerk ab, das sich gewaschen hat. Es kommt nicht von ungefähr, dass das Album derzeit so ziemlich alle Neuerscheinungs-Bestenlisten toppt, und Isdal von einer deutschen Musik-Zeitschrift für einen “God of Riffs” Preis nominiert wurde (was allerdings auch schon wieder länger her ist).

An ihr Meisterwerk “Le Fol” aus dem Jahre 2007 können die Jungs zwar nicht anschließen, aber auch so werden die neuen Songs live formidabel krachen. Ohnehin wird man den Eindruck nicht los, dass hier mit dem Ziel einer maximal bühnentauglichen Darbietung komponiert wurde. Kein Wunder, gehören AUDREY HORNE doch zu den überzeugendsten Live-Bands der letzten Jahre, was wir nicht salopp dahingesagt wissen wollen, denn ein Konzert der Norweger ist ein Ereignis. In jeder Hinsicht.

Das lange Warten hat sich gelohnt!



Erscheinungstermin: 12. Januar 2018
Label: Napalm Records

Tracklist

1. This Is War
2. Audrevolution
3. Blackout
4. This One
5. Midnight Man
6. Light Your Way
7. California
8. Satellite
9. Naysayer
10. Rose Alley
11. Juggernaut (Bonus Track)
12. The End (Bonus Track)


https://audrey-horne.bandcamp.com/album/blackout

TOCOTRONIC “Die Unendlichkeit”




Wie stellt man es an? Sich den Pop-Poeten TOCOTRONIC durch eine Rezension zu nähern verlangt nach Zitaten von Roland Barthes, Franz Josef Degenhardt, und der Lektüre von Luis Buñuels Autobiografie, vielmehr als der paläontologischen Kenntnis von Bodentretern vergangener Pop-Erdzeitalter.


Auf Studioalbum Nummer zwölf betreiben die Lyrik-Ritter aus deutschen Landen Vergangenheitsforschung, und entfachen mit autobiografischen Versatzstücken ein Assoziationsfeuerwerk, das erstaunlich zielsicher in die Mittvierziger-Magengrube trifft.



Ob schwebend-tragende Songs im Orchesterrock ("Unwiederbringlich", "Ausgerechnet du hast mich gerettet"), samtener Gitarren-Pop ("Electric Guitar”), oder ganz einfach unplugged ("Ich würd's dir sagen”) - “Die Unendlichkeit” ist in Songs gegoßene Erinnerung. Aber nicht nur.

 

Ein Blick über die Schulter bewirkt zuweilen Wunder. Es müssen nicht immer Technikakrobaten sein, die in der Streitaxt-Phalanx in der ersten Reihe stehen. Und obgleich die Gitarren noch mehr als auf dem Vorgänger zurückgenommen wurden, bevölkern Dirk von Lowtzow und Rick McPhail mit ihren Instrumenten wunderbar unaufdringliche Klangräume, die zwar niemals im Mittelpunkt des Geschehens stehen, aber immer immanenter Teil intimer musikalischer Grammatik sind.



Zur Hölle mit der Doomsday Clock.  Auch wenn wir die Monster schon an der Türschwelle stehen sehen: “Die Unendlichkeit” ist der Gegenentwurf einer hassgetriebenen Gesellschaft, beschwört Entpanzerung und zeitlos autobiografische Dekonstruktion. Wer bei “Stranger Things” zu Tränen gerührt ist, wird durch “Die Unendlichkeit” in seinen Grundfesten erschüttert werden. Aber das war bei TOCOTRONIC ohnehin schon immer so.

 


Erscheinungstermin: 26. Januar 2018
Label: Vertigo Berlin

 

Tracklist

1. Die Unendlichkeit
2. Tapfer und grausam
3. Electric Guitar
4. Hey Du
5. Ich lebe in einem wilden Wirbel
6. 1993
7. Unwiederbringlich
8. Bis uns das Licht vertreibt
9. Ausgerechnet du hast mich gerettet
10. Ich würd's dir sagen
11. Mein Morgen
12. Alles was ich immer wollte war alles
13. Schlittenflug
14. Die Verdammten

tocotronic.de

UMPHREY’S McGEE “it’s not us”






Wie kaum einer anderen Band ist es Umphrey’s McGee immer wieder gelungen, sich jeglicher Schubladisierung zu entziehen. Stilistisch schon seit jeher schwer einzuordnen - KING CRIMSON, YES, PINK FLOYD, THE MAHAVISHNU ORCHESTRA, oder auch mal ganz deftig IRON MAIDEN, die Liste der Einflüsse ist lang - hat sich die Band vor allem in den USA einen Namen als Fixstern der “Jam Band Szene”, und dank legendärer Live-Konzerte eine fast schon religiöse Anhängerschaft erspielt. Zu ihrem 20-jährigen Bandjubiläum bereitet die Truppe sich und ihren Fans ein ganz besonderes Geschenk.



Auf Studioalbum Nummer elf machen Brendan Bayliss (Gitarre, Gesang), Jake Cinninger (Gitarre, Gesang), Joel Cummins (Keyboard, Gesang), Andy Farag (Percussion), Kris Myers (Schlagzeug, Gesang) und Ryan Stasik (Bass) in Sachen Songwriting einen gewaltigen Schritt nach vorne. Am besten verdeutlicht wird dies durch den pulsierenden Opener “The Silent Type”. Die Genese dieser Komposition zog sich über viele Jahre. Das oben verlinkte zweite Video zeigt im Detail, wie sich der Song von der ersten Idee hinweg über die Zeit hinweg entwickelt hat, und verdeutlicht, was “road-tested” eigentlich bedeutet.


Ob Industrial Rocker (“Looks”), Blues-geschwängerter Gute-Laune Sommerabend-Song  (“Whistle Kids”), Progressive-Rocker (“Maybe Someday”) oder unter die Haut gehende Ballade (“You & You Alone”) - “it’s not us” ist eine kunterbunte Reise durch Alternative Rock, Jazz, Metal und Funk, und wieder zurück, bei der man gerne einsteigt und sich von den Musikern, allen voran den beiden Gitarristen Bayliss und Cinninger, für 53 Minuten an der Hand nehmen lässt.


“it’s not us” ist alles andere als ein “Jam Band” Album geworden und markiert vielmehr das kompositorisch bis dato ausgefeilteste Werk der Band. Komplex und eingängig zugleich. Alles dabei, was das Herz begehrt. Bravo!




Erscheinungstermin: 12. Januar 2018
Label: Nothing Too Fancy Music

Tracklist


1. The Silent Type
2. Looks
3. Whistle Kids
4. Half Delayed
5. Maybe Someday
6. Remind Me
7. You & You Alone
8. Forks
9. Speak Up
10. Piranhas
11. Dark Brush

www.umphreys.com