PAUL GILBERT "Vibrato"

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Regelmäßigkeit uns PAUL GILBERT immer wieder neue Soloalben präsentiert. Von den einen als typischer 80iger Jahre Shredder verteufelt, den man schon zu RACER X Zeiten in die Frickelfinger Mottenkiste verbannt hatte. Von den anderen als MR. BIG Sideman abgefeiert, der mit "To Be With You" in den Kommerzhimmel aufgestiegen ist. Wer Gilberts Entwicklung in den letzten Jahren verfolgt hat, staunt ob der musikalischen Reife nicht schlecht, die das im Jahre 1966 geborene Ausnahmetalent aus Illinois mittlerweile an den Tag legt. Über mangelndes Selbstbewusstsein musste sich Gilbert ja nie beschweren, verlangte er doch im zarten Alter von 15 Jahren von Mike Varney (Shred-Papst und Shrapnel Records Gründer) ihm doch bitte eine Audition bei OZZY OYBOURNE zu verschaffen. Die Demokassette dafür schickte er gleich mit. Aus dem Job bei Ozzy ist dann zwar nichts geworden, aber als Gitarrenhero und -lehrer in der Gitarrenabteilung (G.I.T.) des Musicians Institute, einer renommierten Musikhochschule in Los Angeles, hat er international trotzdem Furore gemacht.

War das Vorgänger Album "Fuzz Universe" aus dem Jahre 2010 beileibe kein schlechtes (Instrumental-) Album, so vermag das nun vorliegende "Vibrato" gehörig zu überraschen - und, soviel vorweg - auf der ganzen Linie zu überzeugen. Solo Album Nummer 16, veröffentlicht im Oktober 2012, legt dabei eindrucksvoll Zeugnis von einem musikalischen Wandel ab. Die auf "Fuzz Universe" bereits angedeuteten Klänge finden hier noch weiter ihre Ausformung. Mal glaubt man sich an FRANK ZAPPA erinnert (Opener), mal betritt er, metaphorisch gesprochen, den Jazz-Konzertsaal, wie zum Beispiel bei seiner Interpretation von DAVE BRUBECKs "Blue Rondo a la Turk".

Sehen kann sich auch diesmal wieder die Besetzung. Neben Gilberts Ehefrau Emi Gilbert an den Keyboards, sorgt Kelly Lemieux für das Bassfundament. Am Schlagzeug der gebürtige Wiener Thomas Lang, dessen Referenzliste mittlerweile atemberaubende Dimensionen angenommen hat.

Durch die Bank ziehen sich mal modernere, aber vor allem durch die Bank tolle Retro-Sounds. Als Anspieltipps seien genannt: der Opener "Enemies (In Jail)", bei dem Gilbert einmal mehr seinen Sinn für Humor beweist, der Titeltrack "Vibrato", oder das fetzige „Put in on the Char“ das mit tollen Fuzz Sounds glänzt.

Die letzten drei Nummern sind Live Nummern. Aufgenommen auf der letzten Tour. Angefangen vom YES Klassiker "Roundabout", der old school Willie Dixon Nummer "I want to be loved", sowie das AC/DC Cover "Go Down". Allesamt nett anzuhören, aber insgeheim hätte man sich gewünscht, dass ein paar neue Kompositionen mehr ihren Weg auf die Scheibe gefunden hätten.

Fazit: Rock, Blues und ein Hauch von Jazz - alles nicht zu ernst genommen und immer mit einer Prise Humor versehen. Ob PAUL GILBERT mit "Vibrato" auch Nicht-Gitarristen ansprechen wird können, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. "Vibrato" ist mit Sicherheit aber eine der besten Soloplatten des Ausnahmetalents. Bravo!

4.0 von 5 Punkten

(first published on Stormbringer.at)