LEINÖL „Drei Tog“

 

 

 

Mühlviertel, Julbach. Genauer gesagt Lein'. Da wohnt bzw. kommt Familie Öller her. Familie Öller ist vermutlich nicht nur im Mühlviertel etwas Besonderes. Die Öllers sind nicht nur Vater, Mutter und deren Kinder, sie sind auch eine Band: „Leinöl“. Für die semantisch begabteren (der Verfasser ist diesbezüglich weniger begabt, er musste es nachlesen) enthüllt sich damit sogleich das Geheimnis um den Bandnamen „Leinöl“. Er ist quasi Programm, sprich, Band ist gleich Familie und vice versa, kommt aus Lein'. Dort, in den südlichen Ausläufern des Böhmerwaldes, trifft unverhofft Weltmusik auf alpenländische, österreichisch-bayrische Volksmusik. Gesungen wird freilich auf Oberösterreichisch. Es folgt der Versuch einer Beschreibung des Familienprojekts Öller anhand ihrer CD „Drei Tog“.

 

 

 

„Drei Tog gemma net hoam“ ist die erste Nummer. Lederhosen treffen auf afro-karibische Schlagzeugrhythmen, Akkordeon auf ¾-Takt und rockige Gitarrenriffs. Flott gehts dahin. Bestimmend ist vor allem der volkstümliche, mehrstimmige Gesang. Am Ende beweist eine fast aus dem Nichts auftauchende, den Schlussakkord setzende Jazzgitarre, dass auf „Drei Tog“ noch einige Überraschungen für Hörer und Hörerinnen parat sein werden. So z.B. gleich beim nächsten Stück „Wer des braune Bier net mog“. Mundharmonika, Bongos die groovige Calypso-Percussion abliefern, Saxophonsolo, hie und da eine Mandoline, die, wie alles andere eigentlich auch, zeigt, wie die Öllers es verstehen, ihre musikalische Versiertheit gezielt und dezent einzusetzen. „Üwan See“ versprüht Esprit, kommt locker-leicht daher, wird von einem funkigen Beat getragen und wieder tauchen da und dort unerwartete Jazz Tunes auf, Tonartwechsel, wie kleine Nadelstiche in homöopathischen Dosen. Für die einen vielleicht verwirrend, für die anderen das Salz in der Suppe. Auf „Leitln derfts lustig sei“ gehts in ähnlicher Manier weiter: beschwingt, vorsichtig rockig, der gekonnt intonierte mehrstimmige Gesang entpuppt sich mit Fortdauer des Albums als zentrales Element, wird zum roten Faden und wird hier dem Gstanzl ähnlich, frech und kalauernd („Pressefest – verbotn gheat's der NPD; Presse fest – d'Hebamm sogt: „Presse fest! Gib den Rest!“; Presse fest – d' Vignette aufs Auto dra und fahr a.“) vorgetragen.

 

 

 

Zu Beginn eine Maultrommel, in der Mitte wird stimmig fast freejazz-mäßig improvisiert, die Rhythmusfraktion zeigt einmal mehr was sie kann. „Leinöl“ sind eine Multiinstrumentalisten-Familie: „Üwamorgn“ zeigt das einmal mehr. Der „Gemüsegoatn“ swingt und geizt nicht mit Humor. Wer wissen will, welch Potential im Mühlviertler Boden steckt, sollte sich diese Nummer reinziehen. Frau Öller kann jedem Interessierten wahrlich ein Lied davon singen! Es geht munter weiter. Auf „Da Kollerschläger“ wird endlich gejodelt! Endlich deshalb, weil das bis dahin etwas zu kurz gekommen ist, man wartet förmlich darauf. Und: sie können auch das. Es klingt nach Volksweise, es wird zum ersten mal etwas gemütlicher. Man kann Familie Öller beinahe in der heimeligen Stube beim musizieren vor dem inneren Auge sehen. Diesmal auch mit Harfe. Wie gesagt: Multiinstrumentalisten am Werk. Als nächstes folgt der „Kreizberger Michö“. Was soll man sagen?! Schuhplattler trifft Country, trifft Polka, trifft Ethnopop, trifft afrikanischen Spirit, trifft Paul Simons „Graceland“ (Wiki: „Es (Paul Simons Album „Graceland“) vereint westliche Folk- und Popmusik mit afrikanischer Musik und wurde zusammen mit Musikern aus Afrika aufgenommen.“). Eben wunderbar anzuhörende Weltmusik aus dem Mühlviertel. Etwas mehr Popmusik passiert dann auf „Da Umgang“: Fronleichnam in Julbach. Mit Traktor-Intro! „Keonmandl“ lädt klassisch zum Schunkeln ein. Es schafft akrobatisch den Spagat zwischen Bierzelt und Kulturzentrum. Beeindruckend. Aber man ist dies zum zeitlich fortgeschrittenen Stadium des Albums eh schon gewohnt. Dann pfeift eine Okarina fröhlich zum Einsatz, bevor wieder afrikanische Einflüsse musikalisch Einzug halten. Leinöl machts auf „Juiwegga Gschichtn“ möglich. Ein lustiger Ausflug in die Möglichkeiten des mühlviertler Dialekts („Wonn d'Schneeflockn flodarizzn draußt hot's a Haölizzn Kinder tuan schlifizzn do heast as juchizzn.“)

 

 

 

„Hena Gschtanzl“ nennt sich die nächste Nummer. Ein, wie der Titel schon verrät, Gstanzl mit 2/4-Betonung wie sie im Offbeat des Reggaes sonst zu hören ist. „Leinöl“ sind hervorragende Musiker und können darum auch das. Damit nicht genug, wird „Chefahund“ mit einer Prise Funk gewürzt. Wen diese Tatsache nach all den musikalischen und akustischen Finessen gegen Ende dieses Albums dennoch überrascht, dem kann aber eh nicht mehr geholfen werden. „Chefahund“ endet mit einem atmosphärischen Chor bevor „Va Aig'n do her“ den Schlusspunkt auf „Drei Tog“ setzt. Ein musikalisches Kleinod, feinfühlig, ein bescheidenes Liebeslied an die Julbacher Heimat der Öllers. Echt, nicht kitschig.

 

 

 

„Leinöl“ beweist auf „Drei tog“, dass sie ein breit gefächertes Repertoire an musikalischen Einflüssen verinnerlicht haben und darüber hinaus exzellent wissen, wie selbiges umgesetzt werden kann. Geschickte Musiker die ihr Handwerk verstehen, mit einem kulturellen Horizont, der zum Glück über das Mühlviertel und Österreich hinausragt, ausgestattet. Trotzdem, oder gerade deswegen, bodenständig und heimatverbunden ohne dabei auf verstaubte Mentalitäten zurück zugreifen. Und das alles in Mundart. Kulturelle Globalisierung in ihrer besten Form.

 

 

 

Kurz: Weltmusik aus Oberösterreich. Lustig, unterhaltsam, experimentell. Die Öllers haben Charme, transportieren diesen musikalisch und bringen gute Laune vorbei. Dass die einzelnen Musikanten auch in Heavy Metal- , Jazz-, Funk- und Unterhaltungsbands tätig sind, sei hier ebenfalls noch erwähnt. Es könnte dies eine Erklärung für die bunte Vielfalt auf diesem Album sein. Oder vielleicht liefert schon der Opener „Drei Tog gemma net hoam“ eine mögliche Antwort hierfür: „Sitz' ma uns a wengerl zomm, a jeda tuat halt was er konn, a jeda tuat halt was er muaß, im Rhythmus geht da Fuaß.“ Also: Generationen mit Musik im Blut, äh im Öl. ;)

 

 

 

Erscheinungsjahr: 2011

Label: PG records/unsigned

 

Tracklist:

1. Drei Tog gemma net hoam 4:10
2. Wer des braune Bier net mog 3:38
3. Üwan See 3:25
4. Leitln derfts lustig sei 3:19
5. Üwamorgn 4:03
6. Gemüsegoatn 2:32
7. Da Kollerschläger 2:39
8. Kreizberger Michö 3:36
9. Da Umgang 4:45
10. Keonmandl 4:21
11. Juiwegga Gschichtn 3:54
12. Hena Gschtanzl 3:47
13. Chefahund 3:54
14. Va Aig'n do her 2:53

www.leinoelband.at
www.facebook.com/leinoelmusic
myspace.com/leinoel
www.youtube.com/watch?v=lx8GB2wOmUw